Schwarzer Moment in der Geschichte des Widerstands

Lugiano Boccalatte

Luciano Boccalatte zu den historischen Rahmenbedingungen

Um den historischen Rahmen zu verstehen, ist es nötig, sich folgende Sache vor Augen zu führen: Die Tragödie von Cumiana fand in einem Moment verschärfter Aktionen der Besatzungsmacht und der Faschisten gegen die Partisanen statt …

Luciano Boccalatte, Mitarbeiter am Turiner Institut für Zeitgeschichte

Das Frühjahr 1944 markiert für den Widerstand in Italien, die Resistenza, den Beginn einer Krise, die weit in den Sommer ’44 hineinreicht. Die deutschen Besatzer und die italienischen Faschisten verstärken ihren Kampf gegen die Partisanen.

Einer der härtesten Schläge ist die Verhaftung des gesamten militärischen Flügels des CLN der Region Piemont (Comitato della Liberazione nazionale – Komitee zur nationalen Befreiung). Auf persönliche Anweisung Mussolinis wird in aller Eile ein Prozess durchgezogen. General Giuseppe Perotti und weitere sieben Mitglieder werden am 5. April erschossen, dem Tag an dem letztendlich in Cumiana die Gefangenen ausgetauscht werden. Im CLN waren sämtliche antifaschistische Gruppen und politischen Parteien, die Widerstand gegen die Okkupation leisteten, zusammengeschlossen.

Luciano Boccalatte, Mitarbeiter am Turiner Institut für Zeitgeschichte:

„Um den historischen Rahmen zu verstehen, ist es nötig, sich folgende Sache vor Augen zu führen: Die Tragödie von Cumiana fand in einem Moment verschärfter Aktionen der Besatzungsmacht und der Faschisten gegen die Partisanen statt. Man fürchtete die Zusammenarbeit von Partisanen und sozialen Bewegungen, die gerade in den Turiner Fabriken entstanden – hervorgegangen aus den Generalstreiks vom März 1944. Somit war eines der Ziele der militärischen Besetzung Italiens in Gefahr: die ökonomische Ausbeutung.

Auch die Partisanen der Gegend um Cumiana unterstützen die Streiks in Turin. Am 2. März, morgens um 6 Uhr, besetzen 200 bewaffnete Partisanen alle Zufahrtswege nach Cumiana. Busse, die Arbeiter nach Turin fahren, werden angehalten und das Telefon- und Telegrafenamt blockiert.

Im selben Zeitraum, in dem die Tragödie in Cumiana stattfindet, ereignen sich mindestens zwei weitere Massenerschießungen im Piemont. Als Vergeltungsaktion für die Erschießung eines Unteroffiziers durch Partisanen werden 27 Partisanen, Gefangene aus dem Turiner Gefängnis, erschossen – eine außerordentlich harte Vergeltungsmaßnahme. Bei einer anderen Vergeltungsaktion vor den Toren Turins werden 11 Zivilisten erschossen. Sie wurden einfach von ihren Feldern weggeholt und umgebracht. Am 2. April wird auf den Direktor der Zeitung ‘Gazetta del Popolo’ ein Attentat verübt. Daraufhin werden als Vergeltungsmaßnahme fünf gefangene Partisanen erschossen. Und das sind nur ein paar Beispiele.

Es ist wirklich ein schwarzer Moment in der Geschichte der Partisanen, zumindest der des Piemont.“