Archiv des Europäischen Widerstands

ERA (European Resistance Archive) ist ein online-Archiv der Widerstands­­­aktivitäten gegen Faschismus und Besatzung während des Zweiten Weltkrieges in Europa. Kern des Webportals sind Videointerviews mit Frauen und Männern, die am antifaschistischen ­Widerstand in verschiedenen europäischen Ländern beteiligt waren. 

Das Archiv entstand zwischen August 2006 und Mai 2007 in Zusammenarbeit von neun Organisationen in sechs europäischen Ländern. Das Projekt konnte dank einer Finanzierung durch die Europäische Kommission realisiert werden.

Es ist heute kaum mehr möglich mit WiderstandskämpferInnen zu sprechen, die meisten Menschen dieser Generation sind tot. Schwierig ist es auch, mit Protagonisten aus anderen Ländern zusammen zu kommen. Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, einen Ort im Internet zu schaffen, an dem Videointerviews mit WiderstandskämpferInnen gesammelt und für alle frei zugänglich verfügbar ­gemacht werden.

ERA ist weder ein akademisches Portal nur für Historiker, noch ist es eine Art Widerstands-YouTube, auf dem sich die User durch die spannendsten Episoden des europäischen Widerstands klicken. Mit ERA wurde ein Raum geschaffen, in dem die individuellen Geschichten von Menschen lebendig und sichtbar gehalten werden. Sie kämpften auf vielfältige Art und Weise, manchmal bewaffnet, oft aber auch nicht.

Frauen und Männer aus Italien, Frankreich, Polen, Slowenien, Österreich und Deutschland erzählen ihr Leben, von ihrem persönlichen Weg zur Entscheidung sich dem Widerstand anzu­schließen, von den Widerstandsaktivitäten, dem Leben in der Illegalität, in Gefangenschaft oder von ihrem Erleben der Befreiung. Der Widerstand bekommt viele Gesichter, denn gestern wie heute sind es nicht namenlose Teile einer Bewegung, sondern einzelne Menschen, die für sich Entscheidungen treffen und für diese mehr oder weniger konsequent einstehen.

Die Bedingungen von Faschismus, Besatzung, Kollaboration und Widerstand unterscheiden sich im euro­päischen Vergleich stark voneinander. ERA bietet spezifisches Wissen über die verschiedenen Widerstandsbewegungen und ihre unterschiedlichen Auswirkungen innerhalb der jeweiligen nationalen Kontexte. Es soll auch dazu beigetragen werden, die immer noch in aktuellen geschichtlichen Diskursen vorherrschende na­tionale Perspektive zu erweitern, denn Widerstand entwickelte sich überall, wo Faschismus und Nationalsozialismus herrschten.

An der Entwicklung der Internet-Plattform waren 80 Jugendliche aus sechs Ländern aktiv beteiligt. Sie führten alle ZeitzeugInneninterviews und wurden von Historikern, Erinnerungsarbeitern und einem Video-Team begleitet und unterstützt.
Die Website ist in allen Teilen auf Englisch, die jeweiligen länder­spezifischen Seiten sind außerdem in der Landessprache verfügbar. Neben den Videointerviews mit den Zeit­zeugInnen enthält ERA Kurzbio­grafien und Bilder der Interviewten.
Alle Interviewtranskriptionen sowie ihre englischen Übersetzungen sind herunterladbar. Die Interviewclips werden in Originalsprache abge­spielt, per Mausklick werden englische ­Untertitel eingeblendet.

Auf animierten Landkarten werden Widerstandsorte und Konzentrationslager mit Informationen dargestellt. Außerdem gibt es kurze Einführungen zum Widerstand in jedem Land, in dem bisher ZeitzeugInnen interviewt worden sind, ein Making of-Video und Infos zu den am Projekt beteiligten Organisationen.

Das Web-Archiv ist eine offene Plattform. Interessierte Gruppen oder Einzelpersonen können mitmachen, indem sie selbst Interviews führen, diese dann bearbeiten, transkribieren und übersetzen. Es können auch bereits existierende Videointerviews verwendet werden.
Wer Erfahrung im Übersetzen hat, kann Teile der Website in andere Sprachen übertragen. Alle Interviews können mit Untertiteln in verschiedenen Sprachen versehen werden, die Übersetzungen werden außerdem als Download zur Verfügung gestellt.

Da sich die Förderung durch die ­Europäische Kommission auf die Reali­sierung des Web-Portals beschränkte, ist ERA nun auf die Mitwirkung Geschichtsinteressierter und auf finan­zielle Unterstützung angewiesen.

ERA ist in verschiedene Richtungen erweiterbar. Wünschenswert wäre die Angliederung eines Audio- und Musik­archivs, da es zahlreiche Radio­beiträge zum Thema gibt und hunderte zeitgenössische Interpretationen von Liedern der europäischen Wider­stände existieren und neu entstehen. Sie zu dokumentieren, in andere Sprachen zu übersetzen und an einem frei zugänglichen Ort im Internet zu sammeln, wäre ein weiterer Schritt zu einem tatsächlichen Archiv des europäischen Widerstands – einem Archiv antifaschistischer Kultur, Erfahrung und Einstellungen.

www.resistance-archive.org