Lebenslänglich für ehemalige Militärs der Fallschirm-Panzer-Division „Hermann Göring“
Ehemalige Militärs der Fallschirm-Panzer-Division „Hermann Göring“ sind am 06. Juli 2011 in Italien zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Außerdem müssen sie die Kosten des Verfahrens tragen und hohe Entschädigungen an die Opfer zahlen. Die Bundesrepublik Deutschland wurde zur Gesamtschuldnerischen Haftung verurteilt.
Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die Verurteilten an Massakern von Einheiten der Fallschirm-Panzer-Division „Hermann-Göring“ in der Emilia-Romagna und der Toscana beteiligt waren und des gemeinschaftlich begangenen, mehrfachen, schweren Mordes schuldig sind. Verurteilt wurden: Hans Georg Karl Winkler (für die Massaker am Monte Falterona und in Mommio), Fritz Olberg (inzwischen verstorben), Wilhelm Karl Stark (für die Massaker in Cervarolo, Mommio und am Monte Falterona), Ferdinand Osterhaus (für die Massaker in Monchio, Susano und Costrignano und Mommio), Helmut Odenwald (für die Massaker in Monchio, Susano und Costrignano, am Monte Morello und am Monte Falterona), Alfred Lühmann (für die Massaker in Monchio, Susano und Costrignano und am Monte Falterona), Erich Koeppe (für die Massaker am Monte Morello und am Monte Falterona). Bei diesen Massakern wurde etwa 400 Zivilisten ermordet: Kinder, Alte, Frauen, Männer, unterschiedslos und oft auf grausame Art und Weise.
Der Prozess begann am 11. November 2009 vor dem Militärgericht in Verona. Zunächst gegen 6 Angeklagte, am 04. März 2010 wurde er um weitere 6 Angeklagte erweitert. Die Täter gehörten überwiegend der Fallschirm-Panzer-Aufklärungsabteilung der Fallschirm-Panzer-Division „Hermann Göring“ an. Drei Angeklagte verstarben im Verlauf des Prozesses. Zwei Angeklagte wurden freigesprochen.
Für die Überlebenden und die Familienangehörigen der Opfer ist dieser Prozess, der erst mehr als 66 Jahre nach den schrecklichen Ereignissen stattfand, die längst fällige öffentliche Auseinandersetzung der Gesellschaft mit einer Geschichte, die von der Allgemeinheit verdrängt und vergessen worden war, die ihr persönliches Schicksal aber ein Leben lang wesentlich geprägt hat.
Die Ereignisse des Tages, an dem ihre unschuldigen Angehörigen von einer gnaden- und skrupellosen Soldateska ermordet, die Frauen vergewaltigt, ihre Häuser und Ställe niedergebrannt und das wenige was sie besaßen geplündert wurde, hat sich für immer in ihre Herzen und Köpfe gebrannt.
Im Prozess ging es um die Massaker in diesen Orten:
Monchio, Susano und Costrignano (Provinz Modena): 18. März 1944
Nach Gefechten zwischen Partisaninnen und Partisanen und deutschen Truppen im Gebiet des Flusses Dragone südlich von Modena am 9., 16. und 17. März 1944, umstellen Einheiten der „Hermann Göring“ am frühen Morgen des 18. März unter Mithilfe italienischer Milizen das Tal. Zunächst werden die drei Ortschaften Monchio, Susano und Costrignano gleichzeitig unter heften Artilleriebeschuss genommen. Einige Bewohnerinnen und Bewohner dieser Gemeinden versuchen zu fliehen, was allerdings wegen der Intensität des Beschusses schwierig ist. Außerdem – wohin sollen sie fliehen, überall ist Militär. Und dann: sie haben sich nichts zu Schulden kommen lassen. Sie wissen noch nichts von der Strategie der „verbrannten Erde“, die die deutschen Truppen auf ihrem Rückzug praktizieren und die auch vor Frauen, Kindern und alten Menschen nicht haltmacht.
Dann rücken Kompanien der „Hermann Göring“ mit gepanzerten Fahrzeugen, Lastkraftwagen, Motorrädern mit Beiwagen und bis an die Zähne bewaffnet auf die drei Dörfer vor. Auf Signalverständigung hin hört das Bombardement der nun besetzten Dörfer auf und die Jagd auf die Menschen beginnt. Zuerst in dem Dorf Susano, wo die Soldaten systematisch jedes Haus, jeden Stall, jede Scheune, jeden Hofplatz durchsuchen. Die Menschen, die sie antreffen oder finden erschießen sie auf der Stelle: Männer, Frauen, Kinder, die jüngsten 3, 4 und 7 Jahre alt. Verschont bleiben zunächst nur die Männer, die gezwungen werden, den Truppen die Waffen, die Munitionskisten und das Beutegut zu schleppen. Sie werden erst später, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, erschossen. Durch das Dorf hallen Schüsse und Geräusche von aufbrechenden Türen und Toren, das Brüllen der Soldaten und später dann deren betrunkenes Gröhlen, das Lachen der Plünderer, wenn sie fette Beute gemacht hatten. Was nicht als Raubgut weggeschleppt werden konnte, verbrannte in den Häusern, die angezündet und niedergebrannt wurden, mitsamt der getöteten oder noch lebenden Tieren darin.
Die Soldatesca zieht weiter nach Costrignano, unterwegs jedes Haus, jeden Hof überfallend, die Menschen darin tötend, plündernd und brandschatzend. Das gleiche dann in Costrignano. Allerdings werden hier die Frauen und Kinder aus dem Dorf gejagt, während die Männer im Ort zusammen getrieben und auf einem Platz erschossen werden.
Und weiter geht es nach Lama di Monchio, wieder Erschießungen, wieder Plünderungen, wieder Brandschatzung.
Schließlich erreichen die Truppen Monchio. Auch hier werden die Männer aus den Häusern und aus ihren Verstecken herausgeholt und im Dorf zusammengetrieben, ebenso wie die Männer, die aus Susano, Costrignano und Lama di Monchio hierher gebracht wurden. Maschinengewehre werden an verschiedenen Seiten eines Platzes aufgebaut und die 53 Männer werden mit Maschinengewehrsalven erschossen. Auch hier wird das Dorf geplündert und die Gebäude den Flammen preisgegeben. Überlebende erzählen, dass die Erschießungsaktion von Musik aus einem erbeuteten Grammofon begleitet wurde.
Mit der Zerstörung Monchio’s und der Ermordung der Männer war das Werk der Soldaten an diesem Tag getan.
136 Menschen wurden Opfer dieser Massaker, darunter 6 Kinder unter 10 Jahren und 7 Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren, 7 Frauen, davon eine Hochschwangere, die einen Monat vor der Geburt ihres Kindes stand und schließlich 20 alte Männer über 60 Jahre.
Cervarolo und Civago (Provinz Reggio-Emilia): 20. März 1944
Am 19. März 1944 tauchten zum ersten Mal Einheiten der „Hermann Göring“ in Cervarolo, einem kleinen Bauerndorf im reggianer Apennin, auf. Da man eine Durchkämmungsaktion erwartet hatte, waren die Männer im arbeitsfähigen und wehrpflichtigen Alter in die umliegenden Wälder geflohen. Sie fürchteten zur Zwangsarbeit verschlepp zu werden. Anbetrachts der fehlenden männlichen Bevölkerung sprach der verantwortliche deutsche Offizier die Frauen des Dorfes an. Er sagte ihnen, sie sollten ihre Männer aus ihren Verstecken zurück rufen, dann würde ihnen nichts geschehen. Im Gegenteil, eine Heimkehr würde als Vertrauensbeweis positiv gewertet. Würden die Männer hingegen im Wald angetroffen, würden sie von den Soldaten als Partisanen betrachtet und getötet. Die Frauen glaubten dem deutschen Offizier und verständigten ihre Männer über dessen Aussagen. Die meisten der untergetauchten Männer kehrten daraufhin ins Dorf zurück.
Am Morgen des 20. März wird Cervarolo besetzt. Parallel dazu wird das Nachbardorf Civago von Soldaten der Division „Hermann Göring“ überfallen und geplündert. Drei Menschen werden getötet, zwei davon sind faschistische Spitzel, einer ist ein jugendlicher Hirte.
In Cervarolo durchsuchen die Soldaten Haus für Haus. Die Männer werden gefangen genommen und zum örtlichen Dreschplatz gebracht. Selbst die Kranken und Behinderten schleift man dorthin. Einige Männer wurden aber auch an Ort und Stelle in ihren Häusern getötet. Auch der Pfarrer des Dorfes wird auf den Dreschplatz getrieben – nackt, um ihn zu demütigen. Ihm wird ein Schriftstück vorgelegt, in dem er das Geständnis unterschreiben soll, dass die Bevölkerung des Dorfes den Partisanen geholfen hätte. Er verweigert die Unterschrift. Mehrmals wird ihm das Schriftstück vorgelegt, er aber bleibt bei seiner Weigerung.
Während der ganzen Zeit erlitten die Frauen und Kinder des Dorfes den Terror der Soldaten: Vergewaltigungen, Plünderungen, Zerstörungen.
Am Nachmittag dann erreicht die Militäreinheit, die Civago heimgesucht hatte, Cervarolo. Der kommandierende Offizier befiehlt, die Frauen und Kinder aus dem Dorf zu schaffen und die Gebäude des Dorfes anzuzünden. Nachdem die Frauen und Kinder weg sind, richten sich die automatischen Waffen auf die Männer auf dem Dreschplatz, nun kommen sie an die Reihe: über 20 von ihnen sterben unter den Salven, 3 Männer überleben das Massaker, weil sie verletzt unter den Körpern der Toten zu liegen kommen. Der Schuhmacher hingegen, der den ganzen Tag über die Kampfstiefel der Soldaten reparieren musste, ist letztlich auch unter den Toten. Insgesamt werden 27 Zivilisten an diesem Tag getötet, 24 davon in Cervarolo.
Die Frauen und Kinder finden bei ihrer Rückkehr nur noch die Leichen ihrer Männer, Väter, Brüder und Großväter vor, niedergebrannte Häuser, in denen sie nicht mehr wohnen können, verbrannt oder weggeschleppt alles, was sie zu ihrer Existenz brauchen. Sie stehen im wahrsten Sinne des Wortes vor dem Nichts und sind auf Hilfe der ebenfalls armen Nachbarn angewiesen. Cervarolo ist das Dorf der Witwen und Waisen geworden.
Monte Morello (Provinz Florenz): 10./11. April 1944
14 Zivilisten werden bei einer Durchkämmungsaktion in verschiedenen Orten des Bergmassivs umgebracht. Die Division „Hermann Göring“ behauptet, sie habe ausschließlich Partisanen getötet.
Die italienischen Faschisten geben hingegen offiziell bekannt, dass es sich bei den Toten um Bauern aus der Gegend handele, die mit Partisanenaktivitäten nichts zu tun gehabt hätten.
Im Gebiet des Monte Falterona (Provinz Arezzo): 12. – 17. April 1944
Etwa 40 km nordöstlich von Florenz entfernt liegt das weitläufige Bergmassiv des 1654 m hohen Monte Falterona. Hier beginnen Einheiten der „Hermann Göring“ am 12. April 1944 eine großangelegte Durchkämmungsaktion, die 5 Tage andauert und der ca. 200 Zivilisten zum Opfer fallen. Eine Vielzahl von Gehöften, kleinen Weilern, Dörfern und Kleinstädten werden überfallen, die Menschen nach Belieben und zum Teil auf grausame Weise ermordet, die Frauen vergewaltigt, das Vieh getötet und die Häuser nieder gebrannt. Die arbeitsfähigen Männer werden zum Teil gefangen genommen und mitgeschleppt, um sie dann zur Zwangsarbeit nach Deutschland zu deportieren oder vor Ort in der Organisation Todt zwangsweise schuften zu lassen. Manchmal werden Männer aus den überfallenen Dörfern zunächst auch als Träger der mitgeführten Waffen und Munition mitgenommen und in der Regel dann erschossen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden.
Nehmen wir als Beispiel das Dorf Vallucciole, das mit 108 getöteten Menschen die meisten Opfer zu beklagen hat. Am 13. April erreichen die mörderischen Truppen der Fallschirm-Panzer Division „Hermann Göring“, begleitet von italienischen faschistischen Einheiten, den in einem schwer zugänglichen Tal abgelegenen Ort. Hier nun nimmt der Terror seinen Lauf:
Frauen und Kinder werden dort erschossen, wo man sie antrifft, einige der kleinsten Kinder werden wie beim Tontaubenschießen in die Luft geworfen und abgeknallt. Das jüngste Opfer war ein Baby von 3 Monaten.
Die Männer des Dorfes werden paarweise zu ihrem Erschießungsplatz gebracht und dort getötet. Zurück bleiben 46 tote Frauen, von denen viele erst vergewaltigt und dann umgebracht worden waren, 16 tote Kinder und 46 tote Männer – der größte Teil der Dorfbevölkerung war niedergemäht. Selbstverständlich wurden auch hier die Häuser, Viehställe und Scheunen in Brand gesteckt, das Dorf sollte ausgelöscht sein.
Mehr oder weniger auf die gleiche Art und Weise überzogen die „Elitesoldaten“ der Hermann Göring-Division die Bewohnerinnen und Bewohner der anderen Orte mit Terror und Tod. Insgesamt sind bei dieser umfangreichen Durchkämmungsaktion im Gebiet des Monte Falterona etwa 200 Menschen ermordet worden. Die Massaker umfassten die folgenden Gemeinden und Provinzen:
Gemeinde Stia (Provinz Arezzo) zu ihr gehört Vallucciole, das Dorf, das mit 108 Toten die meisten Opfer zu beklagen hat;
Gemeinde Bibbiena (Provinz Arezzo);
Gemeinde Poppi (Provinz Arezzo);
Bagno di Romagna (Provinz Forlì);
San Godenzo (Provinz Florenz).
Mommio (Gemeinde Fivizzano/Provinz Massa-Carrara) 5. Mai 1944 :
Am 4. Mai 1944 machen sich 2000 deutsche Soldaten verschiedener militärischer Einheiten, darunter auch die Fallschirm-Panzer-Aufklärungsabteilung „Hermann Göring“ auf den Weg in Richtung Passo del Cerreto, um die Kontrolle über das Gebiet der Staatsstraße 63 zurück zu gewinnen, die aufgrund von Partisanenaktivitäten nicht mehr gewährleistet ist. Diese Staatsstraße 63 ist für die deutschen Truppen sowohl für die Vorsorgung der Front als auch für eventuelle Rückzugsmöglichkeiten extrem wichtig. Aus diesen Gründen wird diese groß angelegte Durchkämmungsaktion, die sorgfältig geplant ist, durchgeführt. Auf dem Weg zum Pass erreichen Truppenteile auch die Ortschaft Mommio der Gemeinde Fivizzano. In einigen Häusern findet man Gegenstände, die aus einem Fallschirmabwurf der Alliierten in der Gegend stammen. Das genügt, um die Männer, die im Dorf antroffen werden, zusammen zu treiben und die Häuser anzuzünden.
Eine Gruppe der Gefangenen wird in ein Lager bei Marinella gebracht und von da aus zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert. Die anderen 21 Männer wurden zum Teil auf dem Dorfplatz erschossen, zum Teil lebend in ihren Häusern verbrannt.
Zivile Opfer der Fallschirm-Panzer-Division „Hermann Göring“ in Italien (1)
Nachdem die deutschen und italienisch-faschistischen Truppen sich im Sommer 1943 von Afrika aus nach Sizilien und später auf das italienische Festland zurück ziehen mussten, begann die „Hermann-Göring“- Division mit der willkürlichen Tötung von italienischen Zivilistinnen und Zivilisten: Frauen, Männer und schließlich auch Kinder wurden auf zum Teil grausame Art und Weise massakriert.
Der Weg der Division durch Italien ist mit dem Blut dieser ihrer Opfer gekennzeichnet:
Kaum in Sizilien angekommen, verübte sie im August 1943 die ersten Massaker in Mascalucia und Castiglione di Sicilia. Zu einem Zeitpunkt also, an dem die deutschen und italienischen Truppen noch Bündnispartner sind.
Die Tötung der Zivilbevölkerung nahm zu in Kampanien, wo auf das Konto der Division ein Großteil der Massaker im September-Oktober 1943 gehen. In mindestens 11 Dörfer und Städte werden ihr zivile Mordopfer zugeschrieben. Die Division war auch an der Besetzung Neapels Ende September 1943 beteiligt und an den Kämpfen gegen die aufständische Bevölkerung der Stadt. Vier Tage lang tobte der Kampf zwischen den mit hochmodernem Kriegsgerät bis an die Zähne bewaffneten deutschen Truppen, ihren italienisch-faschistischen Helfershelfern und den Neapolitanerinnen und Neapolitanern um die Befreiung der Stadt. Dann mussten sich die Besatzer zurückziehen und die Stadt verlassen. Die Menschen aus Neapel hatten eine hochgerüstete Armee besiegt, ein unglaublicher Triumpf. Als die alliierten Streitkräfte in Neapel einmarschierten, war die Stadt bereits befreit.
Im Frühjahr 1944 agierte die Division dann im toskanisch-emilianischen Apennin und verübte dort die Massaker, die weiter oben geschildert werden.
Im Sommer 1944 war die „Hermann Göring“ in der Toskana stationiert. Im Raum Arezzo kam es zu zahlreichen Massakern, sowohl kleineren mit wenigen Opfern, als auch zu größeren mit zahlreichen Toten. Hierzu gehört zum Beispiel das Massaker vom 29. Juni 1944 in Civitella Val di Chiana, San Pancrazio und Cornia mit 203 Toten.
Der Historiker Carlo Gentile zieht folgende Bilanz für die Fallschirm-Panzer-Division „Hermann Göring“ in Italien:
600 – 650 Getötete unter der Zivilbevölkerung in Süditalien,
390 im Gebiet des toskanisch-emilianischen Apennin und 450 im Raum Arezzo – insgesamt wurden mithin etwa 1500 Frauen, Männer und Kinder von den nationalsozialistischen „Elitesoldaten“ niedergemetzelt.
Anmerkungen:
(1) Dieser Teil bezieht sich weitgehend auf den Text von Carlo Gentile: Le stragi del 1944 in Provincia di Arezzo ed i loro perpetratori, I Testo, Colonia, ottobre 1998.