Jedes Jahr wird zur Schlacht geblasen

Interview zum 25. April, dem Tag der Befreiung Italiens von der deutschen Besatzung

Wer begeht wo und in welcher Weise den 25. April? Die italienische Öffentlichkeit schielt auf die politischen Würdenträger: Wo würdigt der Staatspräsident Ciampi den Widerstand, die so genannten Resistenza, was macht Regierungschef Berlusconi? Diese Frage besitzt großen symbolischen Gehalt. Die Schärfe und Polemik der Diskussionen im Vorfeld um die Bedeutung dieses Tages nimmt seit der Regierungskoalition Berlusconis aus Forza Italia, den Neofaschisten der Alleanza Nazionale und den Separatisten der Lega Nord von Jahr zu Jahr zu.

Wir sprachen mit Guido Pisi aus Parma über die Auseinandersetzungen um den 25. April. Guido Pisi ist Leiter des Istituto storico della Resistenza di Parma.

Guido Pisi: Die Diskussion um die Erinnerung an die Resistenza ist eine Konstante in der Geschichte der gesamten italienischen Republik. Um den 25. April herum bildeten sich immer Kontroversen um das, was wir den öffentlicher Gebrauch der Geschichte der Resistenza nennen. So wurde auch dieses Jahr zur Schlacht geblasen zwischen dem Mitte-Rechts-Regierungsbündnis und der Mitte-Links-Opposition.

Verein zur Förderung alternativer Medien: Worüber wurde denn gestritten?

Guido Pisi: Für Berlusconi ist die Erinnerung an die Resistenza überholt und damit demontiert er ein Erbe, das in gewisser Weise in der italienischen Verfassung zusammengefasst ist. Seine Idee einer Änderung der Konstitution, z. B. der Umwidmung des 25. April, führt damit unweigerlich in die Richtung eines radikalen „zur Diskussion Stellens“ der Werte, welche die Resistenza für das Nachkriegsitalien geschaffen hat. Dabei bedient er sich natürlich alter Argumente und Beschuldigungen wie etwa, dass die Erinnerung an die Resistenza immer von der Linken hegemonisiert worden sei und verfälscht auch in grober Weise die Geschichte, indem er die Ereignisse, die er heranzieht, z. B. mit dem Kommunismus Stalins gleichsetzt.
In dieser Diskussion geht es nicht mehr allein um einen Gegensatz zwischen Faschisten und Antifaschisten, sondern um eine politische Schlacht zwischen den Parteien: Zum einen die politischen Erben der damaligen antifaschistischen Koalition (u. a. auch Kirchen und Konservative) und zum anderen einer Koalition aus den Erben der Faschisten der Republik von Salò, welche die Erinnerung an die Resistenza aus naheliegenden Gründen ablehnen und Parteien wie etwa die Lega Nord und Forza Italia, die gar keine Wurzeln mehr in diesem Erbe haben, da sie erst später entstanden sind.

Welche strategischen Absichten verfolgt Berlusconi mit dieser Diskussion?

Guido Pisi: Berlusconi konnte schon immer gut Konfliktsituationen schaffen und über sein Medienimperium mit aggressiven Propagandakampagnen polarisieren. Viel weniger gelingt es, die Regierungsfunktion als Mediation im Land erfolgreich durchzuführen. Auch die Krise im Verhältnis mit der öffentlichen Meinung, die durch Unpopularität der Position der italienischen Regierung im Irakkrieg entstanden ist, sind gute Gründe, um das alljährliche Thema des 25. April in dieser Aggressivität aufzunehmen.

Hat diese Aggression der Medienkampagne einen Einfluss auf die Gesellschaft, sagen wir etwas vereinfachend, dass seit der Eröffnung der Diskussion durch Berlusconi ein Riss durch die italienische Gesellschaft geht?

Guido Pisi: Ich glaube nicht, dass das Land ein Spiegel der Polemik ist, die über die Zeitungen und die Politik transportiert wird. Davon ausnehmen muss man natürlich immer die Splitter, die am meisten politisiert sind, wie etwa aktive Postfaschisten oder die total entfernt davon sind, wie die engste Wählerschaft der Lega Nord. Aber für den Rest, glaube ich, gilt dies nicht.
Außerdem hat Berlusconi mit einer weiteren Gleichsetzung, nämlich der Gefallenen der Resistenza und der Ermordeten in den Foibe1 im Friaul, ein sehr schwaches Modell gewählt. Das Thema der Foibe war schon immer ein Leib- und Magenthema der neofaschistischen Rechten gewesen. Und damit hatte es für Berlusconi einen disqualifizierenden Charakter, da es politisch eindeutig konnotiert ist. Zum anderen ist dieses Thema auf Grund seiner Komplexität nicht einfach und eindeutig zu bewerten. So gelingt die Gleichsetzung getöteter Partisanen und mit Getöteten in den Foibe nicht so leicht, wie die Gleichsetzung Gefallener der Resistenza und mit gefallenen Faschisten generell.
In diesem Sinne war die Thematisierung der Foibe als Kampagne für die Massenmedien nicht geeignet.

  1 Die Foibe sind tiefe Schluchten in den Bergen um Triest, in die die jugoslawischen Partisanen v. a. in den letzten Tagen des 2. Weltkrieges, nach der Befreiung Triests, getötete italienische Faschisten, Mitläufer und Kollaborateure warfen. Das Thema ist in den letzten Jahren verstärkt in die politische Diskussion gerückt.