Die Familie Cervi

Anlaufstelle für die vielen Flüchtlinge

Aldo Cervi wird 1929 zum Militärdienst eingezogen. Wegen Befehlsverweigerung verbüßt er drei Jahre im Gefängnis. Dort trifft er auf politische Gefangene, die lesen und diskutieren. Wie für viele andere wird auch für ihn das Gefängnis zu einer „Universität“. Nach seiner Entlassung lässt er auch seine Familie an seinen neuen Ideen teilnehmen …


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Links: Druckpresse im Museum im ehemaligen Haus der Familie Cervi
Mitte: Cervi mit Pastor
Oben: Reisebus mit Bild von Aldo Cervi in der Gegend von Reggio Emilia

Seit 1893 lebt die Familie Cervi als Halbpächter in der Poebene in dem Ort Tagliavino di Campegine. 1896 nimmt Agostino Cervi an dem Aufstand gegen die Erhöhung der Mehlsteuer teil. Es kommt zu Auseinandersetzungen, in deren Verlauf es sechs Tote und viele Verletzte gibt. Agostino muss für sechs Monate ins Gefängnis.

1920 verlässt sein Sohn Alcide (Papá Cervi) die Familie um seine eigene zu gründen. Ab 1934 mietet er mit seinen sieben Söhnen ein Stück Land mit einem Hof (dem heutigen Museum Cervi) in Gattatico. Das bedeutet, dass sie jetzt nicht mehr quasi Leibeigene eines Großgrundbesitzers sind, sondern den Ertrag ihrer Arbeit selbst behalten können.
Seit Ende des Jahres 1920, mit der Geburt des Faschismus in Italien, kommt es in der Region Reggio Emilia immer wieder zu Auseinandersetzungen. Zwischen 1930 und 1939 werden tausende AntifaschistInnen eingesperrt, verbannt oder umgebracht. Man organisiert sich im Untergrund, veranstaltet Demonstrationen und Manifestationen, druckt klandestine Zeitungen und Flugschriften.

Aldo Cervi wird 1929 zum Militärdienst eingezogen. Wegen Befehlsverweigerung verbüßt er drei Jahre im Gefängnis. Dort trifft er auf politische Gefangene, die lesen und diskutieren. Wie für viele andere wird auch für ihn das Gefängnis zu einer „Universität“. Nach seiner Entlassung lässt er auch seine Familie an seinen neuen Ideen teilnehmen. Nach und nach schließen sich alle Familienmitglieder diesen neuen antifaschistischen Ideen an und betätigen sich neben ihrer alltäglichen Arbeit auch klandestin. Ihre antifaschistischen Aktivitäten bleiben nicht unbemerkt. Gelindo Cervi wird 1939 das erste mal verhaftet. 1942 wird Ferdinando eingesperrt und kurz darauf noch einmal Gelindo.
1943 verüben Ferdinando und Massimo Cervi ihre erste Sabotageaktion. Sie fällen einen Strommasten und unterbrechen so die für die Faschisten wichtige Stromversorgung.
Als am 25. Juli 1943 Mussolini abgesetzt wird, feiert die Familie Cervi dieses Ereignis mit einem großen Pastasciutta-Essen für alle auf dem Dorfplatz. Dieses Ereignis ist noch heute im kollektiven Gedächtnis als die Wiederaneignung dieses Platzes präsent.
In der folgenden Zeit wird der Hof der Cervis zur Anlaufstelle für die vielen Flüchtlinge. Italienische Soldaten ebenso wie politische Gefangene und italienische Kriegsgefangene, die nach dem Sturz Mussolinis aus den Gefängnissen fliehen können. Hier erhalten sie ein Verstecken, bekommen Nahrung, Kleidung und Informationen um unterzutauchen.
Nach der Besatzung Italiens am 8. September 1943 durch die Deutschen organisieren die Cervis den bewaffneten Widerstand. Sie sind davon überzeugt, dass sofort gehandelt werden müsse. Anfang Oktober gehen die sieben Cervi-Brüder mit anderen in die Berge. Am 26. Oktober findet ihre erste Aktion statt. Sie überfallen eine Polizeistation um an Waffen zu gelangen. Danach ziehen sie sich wieder in die Berge zurück und treffen auf den Priester Don Pasquino Borghi, der den Partisanen Unterschlupf gewährt. Die Situation in den Bergen ist aber schwierig und so begibt sich die Gruppe wieder in die Ebene, wo sie mehr Kontakte und Unterstützung hat.

Nach verschiedenen Aktionen planen sie am 13. November, einen hohen faschistischen Funktionär aus Reggio Emilia zu entführen und zu liquidieren. Die Aktion misslingt, sorgt aber für großes Aufsehen und Sympathie in der Bevölkerung.
Am 25. November wird das Haus der Cervi vom faschistischen Militär umstellt. Alle Männer, die sich im Haus aufhalten, werden verhaftet, die Frauen und Kinder auf die Straße getrieben und das Haus angezündet. Alcide „Papá“ Cervi, die sieben Brüder und einer ihrer Genossen werden in das Zuchthaus „Servi“ für politische Gefangene nach Reggio Emilia gebracht. Während Alcide wieder frei kommt, werden die sieben Brüder gefoltert um Informationen und Geständnisse zu erpressen. Die Aktionen der Partisanen gehen jedoch weiter. Ein Befreiungsversuch missglückt. Am 15. und 27. Dezember werden von anderen Partisanen zwei hohe faschistische Militärs getötet. Daraufhin beschließen die faschistischen Machthaber von Reggio Emilia, ein Exempel zu statuieren. Die sieben Brüder werden am 28. Dezember 1943 um 6.30 Uhr mit ihrem Genossen erschossen. Kurz nach ihnen werden weitere acht Männer, darunter auch Don Pasquino Borghi, hingerichtet.

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 Die Brüder Cervi

Weitere Informationen: Cervi-Museum (auch in englisch): www.fratellicervi.it

Maria Cervi – Ein Leben lang Erinnerungsarbeit