Aus den „Arbeitsbrüdern“ wurden Gefangene
Nach der Besetzung Italiens wurden die vormalig freiwilligen italienischen „Arbeitsbrüder“ in Deutschland zu Gefangenen. Auch innerhalb Italiens wurden Menschen von den Nazis verschleppt und zur Arbeit in Industrie, Landwirtschaft oder an der Front gezwungen. Die Organisation dieser Sklaverei lag in der Hand der Organisation TODT. Zu Beginn des Jahres 1945 mussten 240.000 Menschen Frontbefestigungsarbeiten leisten.
1938 lief die deutsche Kriegsproduktion auf Hochtouren. Das Deutsche Reich hatte hohen Bedarf an Arbeitskräften. Ab März des selben Jahres kamen „freiwillige“ ArbeiterInnen aus Italien nach Deutschland. Sie wurden in Italien von den Faschisten mit Fahnen und Musik verabschiedet und in Deutschland von den Nazis offiziell und feierlich begrüßt. Diese Menschen, die zum Arbeiten nach Deutschland kamen, waren neben Faschisten, die den Bündnispartner unterstützen wollten, arme BäuerInnnen und ArbeiterInnen. Die Arbeitslosigkeit in Italien war hoch und vor allem auf dem Land und im Süden herrschte Hunger. Doch mit der Absetzung Mussolinis am 25. Juli 1943 wurden aus den „Arbeitsbrüdern“ Gefangene. Für mehr als 100.000 italienische ArbeiterInnen wurde damit Deutschland zum Gefängnis.
Die Besetzung Italiens bot Nazi-Deutschland die Möglichkeit, die dortigen menschlichen Ressourcen auszubeuten. Die Pläne des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz Fritz Sauckel sahen vor, im Herbst ’43 über 300.000 italienische Arbeitskräfte für die deutsche Industrie und Landwirtschaft zu rekrutieren. Im Jahr 1944 sollten sogar 1,5 Millionen ItalienerInnen zur Verfügung stehen. Man versuchte auf der einen Seite, durch Prämien und Appelle „Freiwillige“ anzuwerben, was in einem bestimmten Umfang auch gelang, da die materielle Situation sich seit 1938 durch den Kriegseintritt Italiens noch weiter verschlechtert hatte. Zum anderen wurden bei Razzien und Vergeltungsmaßnahmen gegen die Bevölkerung im Zuge der PartisanInnenbekämpfung – zumeist männliche – Zivilisten verhaftet und nach Deutschland deportiert.
Etwa 600.000 italienische Soldaten, die auf dem Balkan und in Frankreich stationiert waren oder von deutschen Truppen nach dem 8. September in Italien entwaffnet wurden, wurden nach Deutschland deportiert. Sie sind nach den momentanen Bestimmungen von Entschädigungszahlungen ausgeschlossen, da die Stiftung der Industrie und das Bundesfinanzministerium sie als Kriegsgefangene deklariert, was sie damals faktisch nicht waren. Die Nazis erkannten ihnen diesen Status ab und zogen sie zu Zwangsarbeit in der Industrie und zu Aufräumarbeiten heran. Ein bestelltes Gutachten des Völkerrechtlers Christian Tomuschat sollte die Haltung der Geldgeber untermauern. Tomuschat argumentiert damit, dass das Vorgehen der Nazis völkerrechtswidrig gewesen sei, also müssten die italienischen Internierten rechtlich heute als Kriegsgefangene betrachtet werden. Dieser Argumentation folgte letztendlich auch das Bundesverfassungsgericht. Durch dessen Entscheidung von 2004 ist wohl endgültig ausgeschlossen, dass italienische Militärinternierte eine Entschädigung erhalten können.
Heike Herzog