Der rote Faden der Geschichte

Marcia della memoria", der Marsch der Erinnerung Marsch der Erinnerung Teilnehmer des Marsches der Erinnerung Wandbemalung in dem Dorf Vestignano

Die "Marcia della memoria", der Marsch der Erinnerung zu Orten von Partisanenkämpfen und deutschen und faschistischen Massakern, wurde in der Region der Marken zum 25. April 2006 zum dritten Mal organisiert. 
Rechts: Wandbemalung in dem Dorf Vestignano, Marken
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Ein Kommentar zur Debatte um die Bedeutung der Resistenza in Italien

Es gibt einen roten Faden, der Männer und Frauen durch die Geschichte hindurch und über die ganze Welt hinweg verbindet. Auch wenn jede Generation den Sinn der Geschichte auf ihre Weise auslegt, auch wenn junge Menschen entscheiden, auf welcher Seite sie stehen und agieren möchten, so gibt es doch Kommunikation und Austausch zwischen den Generationen. Jede freie Gesellschaft sollte jedem die Möglichkeit geben, sich Ereignisse und Werte, die für die Konstituierung der eigenen Identität notwendig sind, auszuwählen. In unserer heutigen globalen Welt erscheint es abwegig, Antifaschismus und Widerstand als Werte zu betrachten, die die Identität junger Menschen formen könnten. Eine Ablehnung des Faschismus bedeutet heute aber oft den ersten, schüchternen Schritt hin zu einer Politisierung: Das Zugehörigkeitsgefühl zu einem weit zurückliegenden Kampf ist einfacher herzustellen, als das Interesse an den konfusen politischen Auseinandersetzungen der Gegenwart.

Seit Anfang der 90er Jahre kann ein neues Interesse von Teilen der jungen Generation an der Resistenza beobachtet werden. Jugendliche wenden sich in dem Moment der Politik zu, in dem die Demokratie in Italien in einer Krise steckt, die durch die Korruptionsaffäre „Mani pulite“ (Saubere Hände) in Mailand zum Ausbruch kam. Bis zu diesem Zeitpunkt fanden Widerstand und Antifaschismus in der öffentlichen Debatte nur wenig Interesse.
In dem Moment, in dem in der italienischen Politik die traditionellen Parteien wegbrachen, sei es, dass sie sich in Folge der Skandale (DC, PSI) auflösten oder nach dem Einbruch der Berliner Mauer (PCI) neu strukturierten, erscheint im Herbst 1993 Silvio Berlusconi auf der Bildfläche. Er bekundet zuerst einmal seine Sympathie für Gianfranco Fini (den jungen Vorsitzenden der ehemaligen MSI, Nachfolgerin der faschistischen Partei, die sich in Rekordzeit zur Partei „Alleanza Nazionale“ wandelt). Dann baut er mit den Führungsspitzen seines Unternehmens Fininvest die Partei „Forza Italia“ auf. Bei den Wahlen am 27./28. März 1994 geht die „neue“ Rechte als Siegerin hervor. Sie erreicht die Mehrheit im Parlament, Berlusconi wird Ministerpräsident und die politischen Erben des Faschismus sind auf einmal stark im Parlament vertreten und bemühen sich, zusammen mit der Partei des Mailänder Milliardärs eine Regierung zu bilden. Diese nie da gewesene Machtkonzentration (Wirtschaft, Medien, Politik) auf nur eine Person hat zur Folge, dass sich ein erstes breites antifaschistisches Bewusstsein regt. L’Italia che resiste, das Italien, das Widerstand leistet, lässt sofort lautstark von sich hören. An der Demonstration zum 25. April 1994 (dem Nationalfeiertag der Befreiung vom Faschismus) in Mailand, nahmen 4oo.ooo Menschen jeden Alters, darunter auch ehemalige Partisanen, bei strömendem Regen teil.
Die erste Berlusconi-Regierung dauert nur wenige Monate und nach der Übergangsphase einer bürokratischen Regierung gewinnen die progressiven Kräfte, die mit dem fortschrittlichen Teil der Katholiken koalieren, 1996 die Wahlen. Die Koalition trifft jedoch auf diverse Schwierigkeiten und bildet in 5 Jahren drei Regierungen. Bei den Wahlen im Jahr 2001 übernimmt die Rechte, wieder mit Berlusconi als Ministerpräsident, erneut die Macht. Ab 2001 gelingt es der äußerst stabilen Berlusconi-Koalition wichtige Reformen im Hinblick auf eine Machtkonzentration durchzusetzen. Gleichzeitig wird mit der Legitimierung der faschistischen Nachfolgepartei AN eine Regierungskampagne in die Wege geleitet, die darauf abzielt, die Geschichte umzuschreiben. Die Resistenza wird nun als historischer Ausdruck vor allem kommunistischer Oppositioneller und einfacher Regierungsgegner diffamiert und nicht mehr als ein der gesamten italienischen Bevölkerung gemeinsamer Wertebegriff verstanden. Viele Angriffe sind zu verzeichnen, von Vorschlägen zur Abschaffung des Nationalfeiertags der Befreiung am 25. April, von der Schuldzuweisung gegenüber den Partisanen für Repressalien der Nazis bis hin zur Negierung der Rolle, die die Resistenza bei der Befreiung Italiens vom Nazifaschismus gespielt hat, zugunsten einer Aufwertung der Alliierten (eine Argumentation, die als Instrument verwendet wurde, um den Irakkrieg vor der demokratischen und progressiven Öffentlichkeit zu legitimieren). Symbolträchtig ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass Berlusconi als Ministerpräsident den Feierlichkeiten zum Jahrestag der Befreiung fern bleibt.

Berlusconis Politik gegen die Verfassung

In der Politik Berlusconis und seiner Verbündeten sind ganz klar Versuche zu erkennen, die Grundlage für die Konstitution und Einheit der italienischen Republik zu verschleiern: den Antifaschismus. Dieser Versuch erfolgte auf verschiedenen Ebenen:
– im institutionellen Bereich: eine Verfassungsänderung, durchgesetzt durch eine einfache Mehrheit, stärkt die Macht des Ministerpräsidenten und schwächt die Rolle des Parlaments. Die Eigenständigkeit der Justiz wird in Frage gestellt. Die italienische Verfassung entstand vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Faschismus. Sie verlieh dem Parlament, das noch vor der Regierung steht, maximale Souveränität. Mit der Verfassungsänderung hingegen hat der Ministerpräsident sogar die Macht, die Parlamentskammern aufzulösen.
– in kultureller Hinsicht: Führungsposten in den nationalen Geschichtsforschungsinstituten und bei öffentlichen Fernsehsendern und Zeitungen wurden an Personen, die der Alleanza Nazionale (AN) nahe stehen vergeben; des Weiteren mit einer Revision von Schulbüchern, in deren Folge richtige Verbotslisten erstellt wurden;
– ganz allgemein gesehen mit dem Frontalangriff auf die Friedensbewegung, die sich offen gegen den Krieg im Irak ausgesprochen hat (in der Verfassung verpflichtet sich Italien zur Opposition gegen den Krieg), die vom Ministerpräsidenten Berlusconi in einer Weise als defätistisch beschimpft wurde, die doch stark Erinnerungen an Mussolini wach werden ließ.

Bedeutsam ist die Tatsache, dass die Parteien, die an der Regierung waren, keine Bindung zu den Kräften hatten, die die Verfassung geschrieben haben und an der Resistenza beteiligt waren. Es kann somit von einer symbolischen Distanz zwischen den Regierungskräften und dem demokratischen Gedächtnis der italienischen Republik gesprochen werden. Um dies noch zu verdeutlichen, ist anzumerken, dass mit dem Verschwinden der so genannten „ersten Republik“ in Folge der Bestechungsaffären im Chaos der ‘90 Jahre, nicht etwa die Linksparteien nach oben kamen, sondern zwei Kräfte, die praktisch aus dem Nichts entstanden, AN und FI. Der AN war es in der Tat gelungen, alle Stimmen des faschistischen Wahlvolks auf sich zu vereinen, Stimmen, die nach der Befreiung vom Faschismus von der katholischen DC (Democrazia Cristiana) als Gegenpol zu den Kommunisten eingefangen wurden. Nun haben diese Wähler, die sich noch vor kurzem als „gemäßigt“ definiert hatten, keine Schwierigkeiten mehr, sich als „rechts“ und als Erben des faschistischen Gedankenguts zu verstehen.
So kann das politische Klima der letzten Jahre dargestellt werden. Und trotzdem ist es nicht leicht, die heutige Bedeutung von Antifaschismus zusammenzufassen. Heute in unserem Land Antifaschist zu sein bedeutet, für die Erinnerung zu kämpfen, für die Verteidigung der Verfassung, für die Wiederherstellung wirklicher demokratischer Verhältnisse, für den Schutz des Andersartigen, gegen die Gleichgültigkeit. Aus dieser neu entdeckten und neu verstandenen Bedeutung des Partisanenkampfs entsteht auch ein ganz neues Interesse an der Resistenza, das sich bis vor wenigen Jahren auf den etwas verstaubten Mythos der Gründungsgeschichte der Republik beschränkte.

Antifaschismus heute

Das antifaschistische Spektrum in Italien ist heute ziemlich komplex: Die antifaschistische Tradition wird zum Instrument der Identitätsfindung und somit zum Sammelbecken aller linken Bewegungen, für die Gemäßigten gilt dies weniger. Die Rechte dagegen, wie gesagt, bekämpft diese Tradition. Angesichts dieser Situation verstehen sich Kräfte, die von ihrer Tradition, ihrer Ideologie und Geschichte weit von einander entfernt sind, als Teil einer einzigen Kraft, dem antifaschistischen Erbe. Katholiken, Republikaner, Sozialisten und Kommunisten haben sich heute in Italien zusammengeschlossen, um das Land nach den Schäden, die ihm durch den rechten Komplex Berlusconis zugefügt wurden, wieder zurück zur Demokratie zu führen. In dieser Situation stellt der größte Partisanenverband Italiens, der ANPI, (gegründet 1944 in Rom) das gemeinsame Terrain dar, auf dem sich sämtliche progressiven und demokratischen Kräfte zusammenfinden und gegenseitig anerkennen. Aber auch außerhalb der traditionellen Verbände entstehen immer mehr Gruppen, die sich explizit auf den Antifaschismus beziehen: von den centri sociali, den unterschiedlichen Gruppen der Antiglobalisierungsbewegung, den Umweltschützern bis hin zur politisch aktiven Homosexuellenbewegung.
Die Homosexuellengruppen Italiens bekennen sich ausdrücklich zur Idee der Resistenza, die als Kampf zur Verteidigung der Diversität ausgelegt wird, und an die die Bewegung ihre Forderungen nach Anerkennung von Rechten und ihren Kampf gegen die gewaltsame Unterdrückung anknüpft. Heute ist für politisch aktive Homosexuelle in Italien klar, dass Gay Pride mit antifaschistischem Selbstbewusstsein gleichzusetzen ist. (Im Faschismus war Homosexualität keine Straftat, sondern das Phänomen wurde einfach durch Verbannung, Gewalt und Negierung unterdrückt.) Der Stolz auf die eigene Identität und die Kraft, Rechte für sich und für alle anderen Rechtlosen einzufordern, bedeutet für das Bewusstsein von Homosexuellen die stärkste Resistenza (Widerstand) gegen jede Form der Gewalt. Gay Pride steht für die Verteidigung der Freiheit, für Zivilcourage gegen körperliche Gewalt, gegen Ausgrenzung und gegen jede Kriminalisierung von Opposition und Protest.
Vor kurzem hat auch die Umweltschutzbewegung antifaschistische Züge angenommen und bei ihren Demonstrationen war das Partisanenlied „Bella Ciao“ zu hören. Dies gilt zum Beispiel für die Bewegung NO TAV. Diese Bewegung entstand in den letzten Monaten, um gegen den Neubau der Hochgeschwindigkeitsstrecke der Bahnlinie Turin – Lyon zu mobilisieren. In diesem Fall ergibt sich eindeutig ein Zusammenhang mit Antifaschismus, wenn man etwas genauer hinschaut: Die Regierung Berlusconi übergeht bei der Realisierung von Infrastrukturen einige bereits vor Jahren entwickelte Richtlinien, mit denen die demokratische und dezentrale Kontrolle über Gebiets- und Umweltschutzaspekte beibehalten werden sollte. Im Rahmen des so genannten „Zielgesetzes“ hat sich die Regierung einige riesige Bauvorhaben zum Ziel gesetzt, die von privaten Unternehmen projektiert, jedoch durch öffentliche Gelder finanziert werden. Diese Privatunternehmen ersetzen den Staat als öffentlichen Bauherrn und unterliegen überhaupt keinen Umweltschutzkontrollen mehr. Die Baugebiete werden enteignet und die Bewohner haben keine Möglichkeit einzugreifen. Beim Kampf gegen diese veraltete Vorstellung einer territorialen Entwicklung, an der sich nur Wenige bereichern, und gegen diese Form der Abschaffung der Kontrolle durch die Bevölkerung haben die Umweltschutzbewegungen starke basisdemokratische Profile angenommen. Die Umwelt wird im allgemeinen Bewusstsein nicht mehr nur unter dem Gesichtspunkt der Ästhetik oder der Gesundheit, sondern auch der Demokratie gesehen.
In der Antiglobalisierungsbewegung hat sich in den letzten Monaten ein Netzwerk der so genannten „Comunità resistenti“ (Widerstandsgemeinschaften) herausgebildet, die der bereits älteren und besser strukturierten Bewegung der „Disobbedienti“ (Ungehorsamen) nahe stehen. Sie setzten sich in ihren dezentralen Anlaufstellen, den „Ambasciate dei diritti“ (Botschaften der Rechte) mit Problemen der Einwanderungspolitik auseinander (z.B. der Abschaffung der Übergangslager für Einwanderer), aber auch mit dem Kampf gegen prekäre Lebens- und Arbeitssituationen.

Die Politik des ANPI

Der italienische Partisanenverband ANPI steht im Dialog mit all diesen Gruppen und nimmt an ihren Kämpfen teil. Ausgehend von der Tatsache, dass der ANPI kein Verband von ehemaligen Partisanen, sondern ganz einfach von Partisanen ist, und dass man nicht nur Partisan sein oder gewesen sein kann, sondern auch werden kann, hat er sich seit 2001 zum Ziel gesetzt, sich zu erweitern und zu verjüngen. So wurden beim XIV. Nationalen Kongress, der im Februar 2006 in der Toskana abgehalten wurde, im Zusammenhang mit der Änderung des Verbandsstatuts auch diejenigen zu Führungspositionen zugelassen, die nicht im Krieg als Partisanen gekämpft haben. In diesem politischen Klima und im Rahmen dieser Entwicklung des ANPI entstand meine persönliche Erfahrung als „neuer Widerstandleistender“, der in der Vergangenheit nachfragt, weil er in der Gegenwart lebt und die Zukunft plant. Den uralten Prozess der menschlichen Emanzipation wieder aufzunehmen und Teil dessen zu werden, bedeutet, sich mit dem sozialen Drama zu beschäftigen, das in Italien und in der ganzen Welt stattfindet: von der Sklaverei, in der Migrantinnen und Migranten allzu oft leben müssen, bis hin zu den neuen prekären Arbeitsbedingungen; es bedeutet, sich einem Gesellschaftsentwurf entgegen zu stellen, in dem Sklaverei nicht mehr nur durch Armut bedingt wird, sondern auch durch Mangel an Zeit entsteht. Zeit, um seine Leidenschaften und kulturellen Interessen zu pflegen, erdrückt vom Arbeitsrhythmus und von der prekären Arbeitssituation, die die Planung und das Denken an die Zukunft zunichte macht: gefangen in einer Gegenwart, die nur Konsum und Oberflächlichkeit bedeutet. Es liegt an uns, in den neuen geschichtlichen Bedingungen den Weg nach einer neuen Umsetzung der demokratischen Wertvorstellungen zu suchen, um wieder anfangen zu können, an die Zukunft zu denken.
Die Befreiung vom Faschismus barg auch den Traum in sich, dass „Das Böse“ eigentlich nur ein geschichtliches Konstrukt sei, und dass die Menschen ihm Einhalt gebieten könnten. Als Antifaschist glaube ich noch an diesen Traum, und bis heute glaube ich an eine gerechtere Welt, in der niemand mehr wegen Waffen oder Hunger stirbt. Resistenza bedeutete die Wideraneignung menschlicher Werte, die Berufung der einzelnen Person auf ihre Grundrechte, das erneute Aufleben des Begriffs „Frieden“ im öffentlichen Bewusstsein als Voraussetzung für alle weiteren Errungenschaften. Mit anderen Worten, Resistenza bedeutete und bedeutet, wieder damit zu beginnen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und dies laut zu sagen, auch wenn dies gegen all das steht, was uns bisher gelehrt wurde. In Zeiten, in denen die „Barmherzigkeit gestorben“ war, in denen das Recht auf Leben, auf Gesundheit und auf Bildung ein Privileg Einzelner war, begannen die Menschen, die zu „Dingen“ reduziert und zu einem Instrument der Bereicherung weniger gemacht worden waren, von einer neuen Welt zu sprechen, in der es um Frieden, Gleichheit und Freiheit ging. Die lärmenden Radio- und Kinolautsprecher, die Gewalt und Rhetorik der Propaganda übertönten in jenen Jahren den nie wirklich verstummten, jedoch schwachen Ruf derjenigen, die die Gewalttaten und Intrigen des Regimes anklagten. Die ein Regime anklagten, das Menschen, die sich mit Poesie beschäftigten, in Gefängnisse oder in die Verbannung schickte, denn das Regime hatte Angst vor Köpfen, die denken und vor den schönen Dingen. Dann brach der Krieg aus. Ihr Gewissen, das bis dahin durch die Lautsprecher taub war, trieb die Jugend in die Berge, wo die schwache Stimme derjenigen, die Nein sagten, zu einer kämpferischen Stimme wurde, über die es nachzudenken lohnte und auf der sich ein neues Italien und eine neue Welt aufbauen konnte.
Voraussetzung für die Demokratie ist also, dass die Stimmen der anderen nicht mehr durch Lautsprecher übertönt werden. Demokratie bedeutet, der Geschichte endlich wieder freien Raum zu lassen, um sich weiter zu entwickeln und der Gesellschaft das volle Recht zuzugestehen, ihre Konflikte ausleben zu können, jedoch die einfache Regel des gegenseitigen Respekts zu befolgen, ohne Gewalt anzuwenden, ohne zu verlangen, dass andere stumm bleiben. Um allen zur ihrer Stimme zu verhelfen, hat sich die Republik, die aus der Resistenza entstand, verpflichtet, allen eine Ausbildung zu garantieren, unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation: damit auch die Armen ihre Poeten haben, die von ihrem Leben erzählen können, damit auch die Armen ihre Politiker haben, die die Bedürfnisse der Schwächsten repräsentieren, damit auch die Kinder der Armen zu Ärzten werden, um die Krankheiten zu heilen, an denen ihre Eltern in den Fabriken sterben.
Italien hat in diesen letzten Jahren wieder damit angefangen, den Lautsprechern zuzuhören. Deshalb muss die Bestürzung, die die Handlungen der Berlusconi-Regierung erzeugten, in politische Aktion umgewandelt werden. Dazu aber muss Einigkeit herrschen und dies ist die Herausforderung, die die Partisanen und Gründer der Republik für unsere Generation bereithalten: die Herausforderung, dass alle demokratischen und progressiven Kräfte in der Lage sind, gemeinsame Ziele zu finden und einen wirklichen Dialog zu führen. Die größte Errungenschaft der Resistenza war die Erschaffung einer demokratischen Republik, in der die Freiheit und Gleichheit der Einzelnen respektiert wird, in der Frauen und Männer die Protagonisten der Öffentlichkeit sind. Die Teilnahme am öffentlichen Geschehen hat jedoch nur dann Sinn, wenn man sich nicht konform verhalten muss.
Ich habe versucht, von befreundeten Partisanen zu lernen, wie man die Lautsprecher überhören kann, zu lernen wie und wo man die schwache Stimme hört, die sie uns nicht hören lassen wollen.

Francesco Rocchetti
Der Autor Francesco Rocchetti ist 30 Jahre alt. Er ist in der Organisation „Gay Left“ engagiert, arbeitet im Insitut für Zeitgeschichte in Macerata mit und ist Mitglied im ANPI.