Agitation, Sabotage, Attentat

GAP und SAP in italienischen Städten

Ein großer Teil der bewaffneten Widerstandsgruppen befand sich in den Bergen, wo den deutschen Truppen der Zugriff erschwert war. Doch auch in den Städten bildeten sich Gruppen, die mit allen Mitteln Widerstand leisteten …

Renzo BianchiMario RovinettiMario Rovinetti

Mario Rovinetti (rechts) im September 2002 in Marzabotto. 
Renzo Bianchi ( links) während einer Stadtführung in Parma zu den Aktivitäten der SAP (Sommer 2002). Renzo Binachi ist im August 2003 und Mario Rovetti aus Marzabotto ist 2006 gestorben.

Ein großer Teil der bewaffneten Widerstandsgruppen befand sich in den Bergen, wo den deutschen Truppen der Zugriff erschwert war. Doch auch in den Städten bildeten sich Gruppen, die mit allen Mitteln Widerstand leisteten: die Aktionsgruppen der PartisanInnen GAP oder SAP („gruppo“ bzw. „squadra di azione partigiana“). Mario Rovinetti war bei der GAP in Bologna, Renzo Bianchi bei der SAP in Parma.

GAP und SAP setzten sich aus Frauen und Männern zusammen, die tagsüber ihrer Arbeit nachgingen und nachts im Widerstand aktiv wurden. Dabei arbeiteten die SAP eher näher an der Massenbasis, waren für Verpflegung und Organisation von Waffen, Agitation in den Stadtteilen und Fabriken zuständig, versuchten laut Rovinetti das, was an Organisation noch da war, zu schützen und zu entwickeln. Vor allem die GAP hatten im engeren Sinne klandestine Kleingruppenstrukturen. In den Sektionen des Nationalen Befreiungskomitees (CLN) zugeteilten, aber weitgehend selbstverantwortlich agierenden Gruppen waren je 5-6 Personen organisiert. Zum Schutz vor Infiltration durch Spitzel waren die Gruppen streng separiert; kein Mitglied sollte zu viel über andere Gruppen wissen. Den Berichten von Renzo Bianchi und Mario Rovinetti zufolge agierten SAP und GAP ähnlich: Sie verteilten Flugblätter und Plakate, sammelten Informationen über die Aktivitäten des Gegners, raubten Geld für die politische Arbeit, sabotierten Telefonlinien und Verbindungswege, störten Truppenbewegungen und Durchkämmungsaktionen, griffen deutsche Besatzungstruppen und italienische faschistische Verbände an und verübten Attentate auf faschistische Funktionsträger und Spione.

Renzo Bianchi berichtete über die Bedingungen in Parma, unter denen die PartisanInnen in der Stadt arbeiteten. Immer wieder mussten sie sich wegen Spitzeln neue Aufenthaltsorte suchen. Dann wurde meistens auch der Deckname gewechselt.
Die italienischen Behörden übergaben politischer Aktivitäten verdächtigte Gefangene an die Gestapo. Dort wurden diese in provisorischen Zellen zusammengepfercht und gefoltert. Zeugenaussagen dokumentieren den Einsatz von Elektroschocks an allen Körperteilen. Im Februar 1945 seien über 70 PartisanInnen in Parma durch Spitzel verraten worden, darunter Bruno „Andrea“ Longhi, ein kleiner, stets unbewaffneter Agitator von hoher konspirativer Intelligenz und der militärische Kommandeur der SAP Eugenio „Cecio“ Biaggi. Longhi überlebte die Folter nicht, Biaggi wurde danach ins Konzentrationslager Bozen verschleppt. Zu den Mitarbeitern der Gestapo in Parma gehörte auch Otto Alberti. Er war an der Liquidierung des Ghettos von Bialystok beteiligt und arbeitete bei Kriegsende in einem Sonderkommando, das die Spuren der Massenvernichtung verwischen sollte. 1963 war er Hauptkommissar der Kripo in Kiel.
Trotz der brutalen Repression schreckten die SAP auch vor Angriffen auf Kasernen nicht zurück, die zum Teil durch Sympathisanten unter den italienischen Wehrpflichtigen erleichtert wurden. Bei einer dieser Aktionen erbeutete Waffen wurden bei einem Blumenhändler an einem der Friedhöfe von Parma verborgen, bis sie verteilt oder zu den PartisanInnen in den Bergen gebracht werden konnten. Besagte Aktion habe keine Repressalien nach sich gezogen: Sie sei – gleich anderen – totgeschwiegen worden, weil die deutschen Besatzer und die Salò-Faschisten keine schlechte Figur machen wollten.
Immer wieder schlossen sich italienische Polizei- und Armeeangehörige den PartisanInnen an. Die Empfehlung der Untergrundorganisationen an die Wehrpflichtigen habe damals gelautet: Folgt dem Einberufungsbefehl, lasst euch einkleiden, nehmt die Waffen und setzt euch in die Berge ab.
Bianchi, ein gelernter Drucker, stellte mit einem Matrizendrucker in der Via Garibaldi viele Flugblätter und Bekanntmachungen der PartisanInnen her. Er berichtete auch über die Vorsichtsmaßnahmen, die beim Verteilen zu treffen waren: Mehrere Gruppen vereinbarten einen festen Zeitplan und versteckten Flugblätter im Futter ihrer Jacken. Dann wurde zum vereinbarten Zeitpunkt für etwa 15 Minuten verteilt, danach gingen alle ihrer Wege.
Oft war Improvisationsvermögen gefragt. Beim Versuch eine internationale Telefonverbindung zu sabotieren, erwies sich der Schaltkasten als zu hart für die Äxte. So entschloss man sich, durch die entstandenen Löcher zu pinkeln und auf diese Weise einen Kurzschluss zu erzeugen.

Am 31. August 1944 erschossen die Partisanen zwei berüchtigte Mitglieder der faschistischen schwarzen Brigaden (Brigate Nere, BN). Darauf wurden 7 politische Gefangene, die sich in deren Gewahrsam befanden, von den Faschisten zu Tode gefoltert. Die Leichname waren so entstellt, dass die Angehörigen sie kaum identifizieren konnten. Einer der zu Tode gefolterten war Otello Massani. Seine Tante hatte immer wieder vor dem Hauptquartier der BN seine Freilassung verlangt, bis sie mit Schüssen verjagt wurde. Als die Faschisten die Leichen ihrer Opfer auf den Friedhof warfen und alle bedrohten, die diese begraben wollten, ließ sich Massanis Tante nicht einschüchtern. Sie holte ihren toten Neffen am helllichten Tag nach Hause, bei der Totenwache wurde ihm das rote Halstuch umgelegt.
Die 7 Opfer der BN sollen von einem Spitzel namens Rosi verraten worden sein, der sich später den Faschisten anschloss. Ein weiteres Opfer war der 19-jährige Bruno Vescovi. Dessen Bruder war nach dem Krieg in Parma politisch sehr aktiv, auch um das Andenken an Bruno zu wahren. Als Rosi 1996 starb und in Parma begraben wurde, habe Vescovi den Blumenschmuck auf dem Grab zerstört und sei bald nach dem Verhör durch die Polizei an einem Herzinfarkt gestorben. Fast sei es so, als ob der Faschismus 50 Jahre später auch den Bruder getötet habe, erklärt Bianchi.
In der Straße des heutigen Unigeländes, in der sich der Sitz der BN befand, war auch ein Büro der faschistischen Partei. Die Straße war damals nach einem Faschisten benannt, der beim Marsch auf Rom gestorben war. Doch mehrfach wurden die Straßenschilder mit Schablonen übermalt, die Straße nach dem gefallenen Partisanen Giordano Cavestro benannt und so heißt sie heute noch. Bianchi merkt vergnügt an, dass die Faschisten es damals mit der Angst zu tun bekommen hätten, da diese Aktion wiederholt direkt vor ihrer Nase durchgeführt worden sei.

In Parma wie in Bologna war es von größter Wichtigkeit, Straßen, Hinterhöfe und Abkürzungen, ja sogar die Abwasserkanäle wie seine Westentasche zu kennen – alles das also, so Mario Rovinetti, „was der Feind nicht so gut kannte“. In Kellern gab es Verstecke. Eines der größten befand sich in den Kellern des zentralen Krankenhauses von Bologna. Als diese Basis aufflog, wurde sie von deutschen Truppen mit Artillerie angegriffen. Trotz großer Verluste konnten sich die meisten PartisanInnen zurückziehen und andernorts den Kampf wieder aufnehmen.
Als typische Aktion schildert Rovinetti den Angriff auf die deutsche Kommandantur in Bologna. Partisanen drangen mit Benzinkanistern in das Hotel in der zentral gelegenen Via dell´Indipendenza ein und setzten das Treppenhaus von oben bis unten in Brand. Draußen waren Posten aufgestellt, die Deutsche, die fliehen wollten unter Beschuss nahmen.
Die siebte Brigade der GAP, der auch Rovinetti angehörte, war auch in der Poebene aktiv.
Truppentransporte wurden angegriffen, Panzer wurden mit Spezialsprengkörpern mit zeitverzögerter Zündung, die von den Alliierten abgeworfen wurden und in die Kanonen deutscher Panzer passten, gesprengt. Solche Aktionen zogen oft auch Massenerschießungen von ZivilistInnen nach sich.

Die GAP setzten sich überwiegend aus Frauen und Männern zusammen, die schon vor dem Waffenstillstand im antifaschistischen Widerstand aktiv waren. Die Wurzeln dieses Widerstandes lagen vor allem im seit den zwanziger Jahren bestehenden kommunistischen Widerstand. Frauen gab es laut Mario Rovinetti sowohl in der GAP als auch in der SAP; sie konnten sich auf den Straßen freier bewegen als die Männer.

Rovinetti hatte das Glück, dass seine Eltern Antifaschisten waren. Während es in der Schule nur Gehirnwäsche gab, konnte der Vater zu Hause den Mund nicht halten, so dass er als Junge von Lenin und der Sowjetunion gehört hatte. Aus der Arbeit in der Fabrik kannte er Kollegen, die organisiert waren und über die er sich einer kommunistischen GAP-Brigade anschloss.
Während viele seines Jahrganges einberufen worden waren und vor dem faschistischen Heer in die Berge flüchteten, konnte Rovinetti zunächst in der Stadt bleiben: Er war freigestellt, weil er tagsüber für eine deutsche Luftwaffeneinheit „kriegswichtige Arbeiten“ leistete; nachts beteiligte er sich an Aktionen. Erst als die Deutschen abzogen, wurde sein Passierschein ungültig. Mario Rovinetti verließ Bologna und schloss sich einer GAP-Brigade in der Gegend von Marzabotto an, wo er seine Arbeit im Untergrund fortsetzte.

Matthias Brieger